Wolf Münninghoff
Wolf Münninghoffs Skulpturen tragen die Spuren des Abtragens. Sie informieren über die Entscheidungen, die Münninghoff im Schaffensprozess getroffen hat. Eine Besonderheit ist, dass die Skulpturen auch ein räumliches Gefühl dafür vermitteln, welche Möglichkeiten nur angedacht und verworfen wurden. Eine andere Besonderheit ist, dass die ursprüngliche Form vor der Bearbeitung genauso präsent erscheint, wie die nicht gewählten Möglichkeiten. So öffnet Münninghoff den Schaffensprozess für die Inszenierung seiner Skulpturen im Raum.

„Unser Anliegen, das eigentliche, lässt sich bestenfalls umschreiben, und das heißt ganz wörtlich: man schreibt darum herum. Man umstellt es. (…) Die Sprache ist wie ein Meißel, der alles weghaut, was nicht Geheimnis ist, und alles Sagen bedeutet ein Entfernen.“
Max Frisch, Tagebuch 1946-1949
Max Frisch beschreibt das Scheitern von Walter Faber, dem Protagonisten aus Homo Faber (1957), als Folge seiner Unfähigkeit, sein inneres Erleben sprachlich zu fassen. Fabers nüchterne, technisch-rationale Weltsicht verhindert, dass er aus Erfahrungen lernt – über sich selbst, über seine Beziehungen und über die empfundene, mythische Tiefe der Welt. Er sieht nur mit den Augen, nicht mit dem Herzen, wie es Antoine de Saint-Exupérys kleiner Prinz fordert. Das Wesen der Dinge scheint ihm verborgen zu bleiben.
Auch die Figuren in Stiller (1954) und Mein Name sei Gantenbein (1964) scheitern – jedoch auf andere Weise. In Stiller behauptet der Erzähler, nicht Stiller zu sein, sondern James Larkin White. Ob diese Identitäten tatsächlich getrennt sind oder nur narrative Strategien zur Selbstverleugnung, bleibt bewusst offen. White und Stiller scheitern daran, dass sich gelebte und fiktive Möglichkeiten nicht zu einem konsistenten Ich fügen lassen, das sowohl Stiller als auch White gerecht wird, da sich erlebte und fiktive Möglichkeiten nicht in allen Perspektive und erst recht nicht auf allen Ebenen der Selbstbetrachtung decken – und zwar weder aus der eigenen noch aus fremder Sicht. Gantenbein scheitert – wie viele Figuren bei Max Frisch – an der Konstruktion eines kohärenten Ichs. Doch anders als Walter Faber oder Stiller ist sein Scheitern nicht an eine konkrete Biografie gebunden, sondern an die Idee, dass Identität überhaupt erzählbar sein muss.
Ralf Jochen Moser, Anmerkungen zu Max Frisch
Künstlerstatement
Mein Selbstverständnis als Bildhauer gründet im ursprünglichen Begriff der Skulptur – dem „Weghauen“. Dieses skulpturale Arbeiten folgt eigenen Prinzipien, die sich zugleich im Leben spiegeln: Es ist eine Suche. Das Material inspiriert, setzt aber auch Grenzen. Skulptur ist für mich nicht allein ein fertiges Objekt, sondern vor allem ein Prozess – ein Dialog zwischen Idee und Widerstand.
In meiner Auseinandersetzung mit dem Medium beschäftigt mich die Frage nach der Relevanz von Skulptur heute – insbesondere im Spannungsfeld zwischen traditionellen Formen und neuen Medien. Meine jüngeren Arbeiten untersuchen die Möglichkeiten multiperspektivischer Wahrnehmung. Sie knüpfen an frühere, modulare Skulpturen an, bei denen die Form durch Umorganisation verändert werden konnte. Heute interessiert mich vor allem die Entwicklung stark divergierender Ansichten innerhalb eines festen Körpers – Ansichten, die durch Perspektivwechsel irritieren und überraschen.
Dass Skulptur sich aus verschiedenen Blickwinkeln verändert, scheint zunächst banal. Doch gerade diese Eigenschaft zum Thema zu machen, eröffnet neue ästhetische und gesellschaftliche Perspektiven. Auch die zweidimensionale Abbildung solcher Formen – etwa in Bildfolgen – entfaltet einen eigenen Reiz. Die Erfahrung, dass ein und derselbe Gegenstand je nach Blickwinkel völlig unterschiedlich erscheinen kann, verweist über das Künstlerische hinaus auf unsere gesellschaftlichen Diskurse. Sie zeigt, wie sehr es uns fehlt, diese grundlegende Erfahrung des Perspektivwechsels ernsthaft zu berücksichtigen.
Biografisches
1967 Geboren in Wermelskirchen
1986-1990 Ausbildung zum Steinmetz und Bildhauer in Rheine/Westf.
seit 1991 lebt und arbeitet er in der Pfalz
seit 1996 freischaffender Bildhauer, seitdem Ausstellungsbeteiligungen in der Region
seit 1997 Kursleitertätigkeit im Bereich Steinbildhauerei
seit 2010 Mitglied im Künstlerbund Rhein-Neckar
seit 2013 Mitglied im BBK
seit 2003 Beteiligung an diversen Symposien
Baum des Lebens, Mammutbaum
Die Schwarten vom Mammutbaum sind von 2014 bei der Herstellung von „Kammer“ und „Ei“ übrig geblieben. Als allegorische Figuren verkörpern sie drei Lebensphasen („Blüte“, „Frucht“, „Reife“). und versinnbildlichen damit das Leben an sich. Als „Baum des Lebens“, können sie den Raum zwischen „Ei“ und „Kammer“ oder „Anfang“ und „Ende“ füllen.
Kammer


Titel: Kammer
2014,
Mammutbaum geviertelt und ausgehöhlt,
4 Teile a 190 cm x 25 cm x 25 cm, positionierbar auf 190 cm³,
Preis 2024: 9200 €
Redwood Kern 1 und 2, 2014
Redwood-Kern oder eben der Kern vom Mammutbaum. Die Stelen sind aus den Stücken entstanden, die beim Aushöhlen der Kammer abfielen. Das Kernholz oxidiert wegen der enthaltenen Gerbsäure ins rot. Allerdings verblasst diese Färbung bei zu starker Sonneneinstrahlung. Da die Formfindung von der Farbgebung beeinflusst war, wurden die Stelen mit einer Farblasur versehen.
Redwood-Kern 1

2014,
Mammutbaum lasiert, 149 cm x 14 cm x 14 cm,
Preis 2024: 1200 €
Redwood-Kern 2

2014,
Mammutbaum lasiert, 150 cm x 14 cm x 14 cm,
Preis 2024: 1200 €
Reife und Ringe
Die Serie Reif basiert auf zahlreichen Baumscheiben aus Eschenholz, die von einem einzelnen Baum stammen. Dieser musste aus Platzgründen scheibchenweise gefällt werden – ein Umstand, der Münninghoff zur Idee einer seriellen Gestaltung inspirierte.
Die vertraute Form der Baumscheibe dient als Ausgangspunkt für eine gestalterische Durchdringung: Jede einzelne Scheibe wird individuell bearbeitet, wobei die ursprüngliche Struktur stets sichtbar bleibt. Gerade diese Verbindung von natürlicher Form und künstlerischem Eingriff macht den Reiz der Arbeit aus.






Die Betrachtenden sind eingeladen, die Transformationen nachzuvollziehen – sie erkennen die Gemeinsamkeit der Grundform und entdecken zugleich die Vielfalt der gestalterischen Möglichkeiten, die sich aus ihr entfalten.
Reif 1

2022,
Esche, 40 cm x 45 cm x 25 cm,
Preis 2024: 2350 €
Reif 2

2022,
Esche, 48 cm x 45 cm x 16 cm,
Preis 2024: 2350 €
Reif 3

2022,
Esche, 45 cm x 47 cm x 30 cm,
Preis 2024: 2550 €
Reif 4

2022,
Esche, 46 cm x 53 cm x 28 cm
Preis 2024: 2700 €
Reif 5

2022,
Esche, 46 cm x 50 cm x 25 cm,
Preis 2024: 2700 €
Reif 6

2022,
Esche, 35 cm x 35 cm x 35 cm
Preis 2024: 3200 €
Multimodale Formen
Multimodal 4



2021,
Walnuss, 290 cm x 40 cm x 50 cm
Preis 2024: 8150 €
Natur unter Druck

Eine Ausstellung des Künstlerbundes Rhein-Neckar
An der Ausstellung haben neben Wolf Münninghoff viele Künstler teilgenommen, die auch in unserer Galerie ausstellen.
Teilnehmende Künstlerinnen und Künstler:
Oliver Mezger, Cornel v. Molitor, Mitsuko Hoshino, Gerhard Kilger, Hermann Herold, Gisela Hachmann-Ruch, Elke Weickelt, Peer Gessing, Manfred Forschner, Karlheinz Treiber, Michael Utz, Mario Urlaß, Andrzej Urbanski, Jessen Oestergaard, Alexander Kästel, Stanford Fata, Doris Erbacher, Harald Priem, Clapeko, Sonja Scherer, Siegfried Reissing, Ulrike Thiele, Werner Degreif, Loraine Heil, Wolf Münninghoff, Karin Schmiedebach, Monika Klein, Günther Wilhelm, Ekkehard Vree, Chrisy Grambitter, Fritz Stier, Tom Feritsch, Ralf Moser, Hannah Moser, Ellis Neu, Gerd Lind und Walter Ludwig Ebert